Kinder brauchen keine Erziehung
Steckt
also oft kein Problem hinter auffälligem kindlichen Verhalten, sondern
Eltern, die ihre Kinder nicht akzeptieren, wie sie sind?
Wir tun ja alle unser Bestes, wie wir es gelernt haben. Manchmal fehlt da einfach etwas. Viele Eltern haben beispielsweise nie gelernt, konstruktiv mit Konflikten umzugehen, und reagieren mit Gewalt oder Schweigen. Oder sie sind unsicher, wie sie als Eltern richtig führen können — beim Essen, beim Schlafen, bei den Hausaufgaben oder wenn man morgens in Eile das Haus verlassen muss. Die Konflikte sind unterschiedlich, das Problem dasselbe. Hier geht es auf beiden Seiten nicht um Schuld, sondern darum, etwas Neues zu lernen: Eltern können eine neue Art kennenlernen, Verantwortung zu übernehmen.
Der Druck der Gesellschaft aber ist hoch und verlangt von Eltern, stets perfekt zu sein.
Die Gesellschaft sind ja wir. Da stellt sich also die Frage, woher diese hohen Erwartungen kommen. Denn diese erzeugen viele unnötige Schuldgefühle: Perfekt zu sein, ist erstens unmöglich, zweitens brauchen Kinder überhaupt keine perfekten Eltern. Im Gegenteil: Perfektionismus ist ja nicht für das Kind, sondern für das Image der Eltern gut! Für Kinder kann es dagegen schädlich sein, wenn sie das Gefühl bekommen, sie müssten ebenso perfekt sein. Das führt dazu, dass Knirpse beispielsweise jahrelang verschweigen, dass sie im Kindergarten gehänselt werden und unglücklich sind. Perfektionismus macht bloss Druck.
Wenn Kinder nicht hören, dann nur, weil das von Erwachsenen Gesagte es nicht wert ist zu hören, sagen Sie. Reden Eltern zu viel?
Nicht generell. Aber oft ist das Gesamtpaket aus verbaler Botschaft und Gestik von schlechter Qualität, sodass ein Kind es nicht annehmen kann. Es geht nicht nur darum, was ich sage, sondern auch wie ich es sage. Heisst es einfach: «Wir essen, setz dich sofort hin!», kommt das sehr viel schlechter an als das Angebot: «Wir essen jetzt, kommst du auch mit uns zum Tisch?» Wenn das Kind zuerst fertigspielen muss, ist das auch okay. Meist folgt es einer freundlichen Einladung nach wenigen Minuten freiwillig, ohne Machtkampf.
Zugleich ermuntern Sie zur Auseinandersetzung, zum Konflikt, denn das sei besser als Apathie und Schweigsamkeit.
Allerdings ist nicht der Machtkampf gefragt, sondern Fantasie beim Lösen von Problemen. Das heisst, Eltern sollen ihre Kinder ernst nehmen, die Situation abwägen und dann entscheiden — und auch aushalten, wenn dieser Entscheid bei den Kindern zu grosser Frustration führt. Geben Eltern bei Konflikten immer nach, vernachlässigen sie ihre Führungsrolle und lassen ihre Kinder hängen. Es geht darum abzuschätzen, welche Auseinandersetzungen überhaupt wichtig sind. Beim Suchen von Lösungen können die Kinder mit einbezogen werden, indem man ihnen die verschiedenen Bedürfnisse aufzeigt und sie fragt, ob sie einen Lösungsvorschlag hätten. So erleben Kinder, dass sie ernst genommen werden. Das schwächt Konflikte ab. Es geht nicht darum, Auseinandersetzungen zu vermeiden, sondern sie konstruktiv zu lösen. Diese Führungsform muss gelernt werden, aber sie lohnt sich.
Könnte man also sagen, mehr Dialog und weniger Machtkampf?
Unbedingt: Mehr Entspannung, mehr Dialog, weniger Machtkampf — dafür mehr echtes Dasein. Das heisst aber keineswegs, dauernd als Spielpartner verfügbar zu sein, sondern Kinder müssen dringend lernen, wie es ist, erwachsen zu sein: Sie müssen sehen, dass Erwachsene auch mal im Garten arbeiten, kochen oder Zeitung lesen müssen. In dieses Erwachsenenleben soll man sie ruhig integrieren. Wer dagegen dauernd für seine Kinder da ist, fördert damit die neue Generation der «gelernten Hilflosen», die dafür täglich hören müssen, wie viel Arbeit die Eltern machen. Stattdessen dürfen Eltern durchaus mal an sich selber denken, denn kein Kind braucht «zu viel Eltern».
https:// www.migrosmagazin.ch/leben/ familie/artikel/ kinder-brauchen-keine-erzie hung
Wir tun ja alle unser Bestes, wie wir es gelernt haben. Manchmal fehlt da einfach etwas. Viele Eltern haben beispielsweise nie gelernt, konstruktiv mit Konflikten umzugehen, und reagieren mit Gewalt oder Schweigen. Oder sie sind unsicher, wie sie als Eltern richtig führen können — beim Essen, beim Schlafen, bei den Hausaufgaben oder wenn man morgens in Eile das Haus verlassen muss. Die Konflikte sind unterschiedlich, das Problem dasselbe. Hier geht es auf beiden Seiten nicht um Schuld, sondern darum, etwas Neues zu lernen: Eltern können eine neue Art kennenlernen, Verantwortung zu übernehmen.
Der Druck der Gesellschaft aber ist hoch und verlangt von Eltern, stets perfekt zu sein.
Die Gesellschaft sind ja wir. Da stellt sich also die Frage, woher diese hohen Erwartungen kommen. Denn diese erzeugen viele unnötige Schuldgefühle: Perfekt zu sein, ist erstens unmöglich, zweitens brauchen Kinder überhaupt keine perfekten Eltern. Im Gegenteil: Perfektionismus ist ja nicht für das Kind, sondern für das Image der Eltern gut! Für Kinder kann es dagegen schädlich sein, wenn sie das Gefühl bekommen, sie müssten ebenso perfekt sein. Das führt dazu, dass Knirpse beispielsweise jahrelang verschweigen, dass sie im Kindergarten gehänselt werden und unglücklich sind. Perfektionismus macht bloss Druck.
Wenn Kinder nicht hören, dann nur, weil das von Erwachsenen Gesagte es nicht wert ist zu hören, sagen Sie. Reden Eltern zu viel?
Nicht generell. Aber oft ist das Gesamtpaket aus verbaler Botschaft und Gestik von schlechter Qualität, sodass ein Kind es nicht annehmen kann. Es geht nicht nur darum, was ich sage, sondern auch wie ich es sage. Heisst es einfach: «Wir essen, setz dich sofort hin!», kommt das sehr viel schlechter an als das Angebot: «Wir essen jetzt, kommst du auch mit uns zum Tisch?» Wenn das Kind zuerst fertigspielen muss, ist das auch okay. Meist folgt es einer freundlichen Einladung nach wenigen Minuten freiwillig, ohne Machtkampf.
Zugleich ermuntern Sie zur Auseinandersetzung, zum Konflikt, denn das sei besser als Apathie und Schweigsamkeit.
Allerdings ist nicht der Machtkampf gefragt, sondern Fantasie beim Lösen von Problemen. Das heisst, Eltern sollen ihre Kinder ernst nehmen, die Situation abwägen und dann entscheiden — und auch aushalten, wenn dieser Entscheid bei den Kindern zu grosser Frustration führt. Geben Eltern bei Konflikten immer nach, vernachlässigen sie ihre Führungsrolle und lassen ihre Kinder hängen. Es geht darum abzuschätzen, welche Auseinandersetzungen überhaupt wichtig sind. Beim Suchen von Lösungen können die Kinder mit einbezogen werden, indem man ihnen die verschiedenen Bedürfnisse aufzeigt und sie fragt, ob sie einen Lösungsvorschlag hätten. So erleben Kinder, dass sie ernst genommen werden. Das schwächt Konflikte ab. Es geht nicht darum, Auseinandersetzungen zu vermeiden, sondern sie konstruktiv zu lösen. Diese Führungsform muss gelernt werden, aber sie lohnt sich.
Könnte man also sagen, mehr Dialog und weniger Machtkampf?
Unbedingt: Mehr Entspannung, mehr Dialog, weniger Machtkampf — dafür mehr echtes Dasein. Das heisst aber keineswegs, dauernd als Spielpartner verfügbar zu sein, sondern Kinder müssen dringend lernen, wie es ist, erwachsen zu sein: Sie müssen sehen, dass Erwachsene auch mal im Garten arbeiten, kochen oder Zeitung lesen müssen. In dieses Erwachsenenleben soll man sie ruhig integrieren. Wer dagegen dauernd für seine Kinder da ist, fördert damit die neue Generation der «gelernten Hilflosen», die dafür täglich hören müssen, wie viel Arbeit die Eltern machen. Stattdessen dürfen Eltern durchaus mal an sich selber denken, denn kein Kind braucht «zu viel Eltern».
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