Der Bundschuh zu Lehen im Breisgau







Selten bricht ein großes Ereigniß, völlig unerwartet, mit zerstörender Allgewalt über die Völker und Länder herein. Ihm gehen gewöhnlich schon eine Reihe von Jahren Erscheinungen voran, welche den aufmerksamen Beobachter tief in das Geheimniß der Zukunft blicken lassen. Sie sind das dunkel heraufziehende Gewölke, das Wetterleuchten und der fernrollende Donner vor schweren Gewittern; oder das dumpfe Wühlen des Waldstromes, der bereits da und dort sein Ufer untergräbt, bis er immer übermächtiger anschwillt, und endlich mit einem Male die schon lang bekämpften Dämme zusammenwirft.
Von jeher hatte es auch in Deutschland unter dem gemeinen Volke Unzufriedene gegeben, aber ihre Ansprüche, Klagen oder Streitigkeiten beschränkten sich nur auf ein gewisses Gebiet, und ließen außerhalb desselben Alles unangefochten. Gegen Ende des fünfzehnten Jahrhunderts änderte sich jedoch hierin die Lage der Dinge. In dem Maße, in welchem Fürsten, Adel, höhere Geistlichkeit und Städte engere Verbindungen knüpften, schien auch der gemeine Mann auf dem Lande nicht mehr vereinzelt in seiner Herrschaft stehen zu wollen, sondern sich, dessen vielleicht unbewußt, näher an seinen Nachbar anzuschließen, und an dem Schicksale, an den Wünschen und Bestrebungen von Seinesgleichen in Deutschland überhaupt, gleichgültig welchem Herrn sie angehörten, einen Antheil zu nehmen, wie man ihn bisher noch nicht bemerkt hatte.
Unverkennbar äußerte die nun seit mehr als anderthalb Jahrhunderten errungene und siegreich behauptete Freiheit der schweizerischen Eidgenossen, besonders in den angränzenden Gegenden, sehr großen Einfluß. Sie hatte gelehrt, was vereinigte Kraft des gemeinen Mannes bei gehöriger Ausdauer zu bewirken vermag, und war daher diesem nicht weniger Lockung als Ermunterung und Hoffnung geworden. So mußte nothwendig nach und nach jedes einzelne Ereigniß einen entschiedeneren allgemeinern Charakter gewinnen, da sich in ihm mehr oder minder das Wünschen und Streben einer ganzen Volksklasse entweder wirklich aussprach oder doch vorbereitete.
Einer der wichtigeren jetzt beinahe ganz vergessenen Vorfälle dieser Art ist eine Meuterei des gemeinen Mannes im Elsaß, worin bereits Zweck und Mittel des spätern Bauernkrieges vollkommen zu erkennen sind. Es war nämlich, erzählen Herzogs edelsasser Chronik (S. 162.) und der Stadt Freiburg handschriftliches großes Buch (S. 144.) übereinstimmend, im Jahre 1493, als im Elsaß eine geheime Verbindung angezettelt zu werden anfieng. Theilnehmer aus Schlettstadt, Sulz, Dambach, Epfich, Andlau, Stotzheim, Kestenholz, Tiefenthal, Scherweiler und andern Orten, nicht nur gemeine Leute, sondern auch Männer, welche mit städtischen Aemtern bekleidet waren, verpflichteten sich mit Eiden, und wählten zu ihren Zusammenkünften den wilden unwegsamen Hungerberg. Hier nahmen sie die Neulinge unter den schrecklichsten Drohungen, wenn sie ausplaudern würden, auf; hier ernannten sie Hauptleute, und entwarfen folgende Bundesartikel.
Erstens, geistlich und rothweilisch Gericht abzuthun, und Niemanden eine Schuld zu erstatten.
Zweitens, Zoll, Umgeld, und andere Beschwerungen abzustellen.
Drittens, Steuer zu geben nach eignem Gefallen (keiner mehr denn vier Pfenning.)
Viertens, die Juden zu tödten, und ihnen ihr Gut zu nehmen.
Fünftens, keinem Geistlichen mehr als eine Pfründe zu 40 oder 50 fl. zu lassen, auch ferner nicht mehr zu beichten.
Da die Verschworenen wohl einsahen, daß sie sich nur durch eine auffallende That hinreichenden Anhang erwerben könnten, richteten sie ihre Augen auf Schlettstadt, das zuerst von ihnen überfallen, und durch dessen Schatz ihre Macht vermehrt werden sollte. Dann wollten sie noch einige umliegende Städtchen und Dörfer in ihren Bund bringen, und ein Panner mit dem Bundschuh aufwerfen, damit ihnen der gemeine Mann zuliefe. Leicht wäre dann, glaubten sie, das ganze Elsaß eingenommen, besonders durch Hülfe der Eidgenossen, die man herbei rufen müsse. Wer wider sie wäre, sollte erschlagen werden, und der Ueberfall auf Schlettstadt in der Charwoche vor sich gehen.
„Aber Gott der Herr hat’s verhindert,“ fügt Herzog schließlich bei; und das große Buch erzählt weiter, wie der Anschlag verrathen, ein Stadtmeister von Schlettstadt, dieser Meuterei schuldig, auf seiner Flucht nach Basel angehalten und geviertheilt, Mehrere enthauptet, Andere des Landes verwiesen, und an Händen und Fingern verstümmelt worden. Ueberallhin wurden die Flüchtlinge mit größter Strenge verfolgt, und vergebens da und dort in Schutz genommen. Ein reisiger Knecht, genannt Schützen-Ulrich von Andlau, hatte sich zu Ebnet bei Freiburg im Gerichte des edeln David von Landeck zu sichern gesucht, und war wirklich hier im herrschaftlichen Schlosse selbst aufgenommen worden. Aber auch hieher verfolgten ihn, auf Schlettstadts Anfoderung die von Freiburg, deren Bürger der Gutsbesitzer war, dem zugleich von Seite des Landvogts ein dringendes Schreiben zugeschickt wurde. Vergebens sträubte er sich lange, seinen Schützling auszuliefern, und veranlaßte sogar zu Gunsten desselben mehrere, von zahlreichem Adel besuchte, stürmische Landgerichte: das Recht gewann endlich auch hier seinen Gang, und dem Meuterer wurden die zwei Finger, die er zum ehrlosen Eid emporgehoben hatte, abgehauen.
Kaum war ein Jahrzehend vorübergegangen, so sah man denselben Verrath, dieselben Anschläge in andern Gegenden wiederkehren. So zettelte sich auch im Dorfe Untergrombach, bei Bruchsal im Bisthum Speier, während des Jahres 1505 eine neue Verschwörung an. Aber auch hiebei wurde nicht blos auf die nähere Umgegend Rücksicht genommen, sondern der Plan in möglichster Ausdehnung entworfen. In allen Landen sollte der gemeine Mann aufgeregt, und zur Theilnahme bewogen werden, der Bund selbst zählte bereits bei 7000 Männern und 400 Weibern. Sie würden, war ihre Hauptklage, so sehr beschwert, daß die vierte Stunde der Arbeit nicht ihnen angehöre; daher auch ihre Artikel eine größere Ausdehnung gewannen. Vorerst, schworen sie, das Joch der Leibeigenschaft abzuschütteln, und sich mit dem Schwert in der Hand selbst zu befreien; dann sollte alle Obrigkeit aufgehoben werden, und, wer sich ihnen widersetzte, des Todes seyn. Fischen, Jagen, Vogeln, Wald und Weide sollten frei seyn, und nicht den Fürsten und Herrschaften allein zustehen. Eben so wenig sollte Jemand die Macht haben, Zins und Zehnden, Zoll oder Schatzung einzutreiben. Auch den Stiftern und Klöstern war der Untergang verheissen.
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