Kapitalismuskritik und Manager







Großes Aufsehen erregte ein Marxismus-Seminar mit dem Jesuiten Professor Rupert Lay und dem RAF-Mitbegründer Horst Mahler, noch bevor das Management Institut Hohenstein die Veranstaltung überhaupt durchgeführt hatte. Wer jedoch auf ein Spektakel zwischen Ex-Terrorist und Exorzist gespannt war, wurde enttäuscht. Sie stellten gemeinsam ein ungewöhnliches gesellschaftstheoretisches Konzept für den sozio-ökonomischen Wandel vor, in dem Manager die Hauptrolle spielen.
Nach Auffassung Lays bietet sich heute eher die Chance als in vergangenen Gesellschaftsformen, „daß alle Individuen, die guten Willens sind, sich zusammenschließen, um dieses System zu transformieren“, das heißt, seine grundlegenden Normen dem sich wandelnden kollektiven Bewußtsein seiner Mitglieder anzupassen. Lay und Mahler setzen auf die Regenerationsfähigkeit der bundesdeutschen Gesellschaft, die eine gezielte und gewaltlose Transformation in Richtung eines „zeitgemäßen Zustandes“ erlaube, in dem „die Normen der verfaßten Gesellschaft den begründeten Interessen ihrer Mitglieder entsprechen“. Zugleich veranschlagen sie das Integrationsvermögen dieses Systems so hoch, daß ihnen der Gedanke an eine Revolution derzeit abwegig erscheint. Doch Lay warnt: „Es ist denkbar, daß ein sozioökonomisches System so fixiert ist, daßseineTransfor-mation verhindert wird. Dann gibt es nur die Möglichkeit der Revolution, um die gefährliche Möglichkeit der Evolution zu vermeiden.“
Diese Möglichkeit sei deshalb gefährlich, weil westliche Industriegesellschaften weitgehend ungezügelt und ohne Zielvorstellung voranschreiten. Das System werde immer komplexer. Eine solche Entwicklung münde in die Einschränkung allen Handelns durch Sachzwänge — in eben die Unfreiheit, die Liberalen ein Greuel ist.
„Die verbreitete Horrorvorstellung, jede Gesellschaftsveränderung bedeute Enteignung, ist völlig unsinnig. Wir müssen uns den .Apparat' wieder aneignen. Das betrifft gerade die Manager“, verkündet Mahler und hat dabei die wirksamen Managementmethoden und -technlken im Sinn, mit denen Systeme - betriebliche wie staatliche -beherrscht werden können. Und Lay assistiert: „Die Instrumente zur Beherrschung des Systems haben sich verselbständigt und wenden sich nun gegen uns.“ Er nennt ein Beispiel aus der Legislative, das Anlaß zu heftigen Kontroversen in der Bundesrepublik gab, die nach Lays Definition (wie jeder andere Staat) „zu materieller Gewalt gewordenes kollektives Bewußtsein" repräsentiere: „Ein Staat, der sich selbst zum höchsten zu schützenden Rechtsgut macht, ist faschistisch. Die Frage, ob die Bundesrepublik auf dem Höhepunkt der Terroristenhysterie - ich denke zum Beispiel an das Kontaktsperregesetz - faschistisch oder zumindest faschistoid reagiert hat, ist berechtigt.“
Nach Lay-Mahlerscher Interpretation - und damit stehen sie nicht allein - kann ein System nur überdauern, wenn es die geltenden Normen durch Zwänge aufrechterhält. Die Menge der zu beachtenden Normen steige aber mit der Komplexität des Systems. „Spätkapitalistische Systeme können sich sogar den Luxus erlauben, äußere Zwänge zu minimieren, weil ihre Mitglieder genügend Zwänge internalisiert haben“, meint Lay. Die Menge der inneren Zwänge, „sich ständig ritualisiert und institutionalisiert verhalten zu müssen, ist nicht mehr vergrößerbar, das System muß zusammenbrechen“, ist Lays Prognose unter der Voraussetzung, daß sich alles ohne übergreifende gesellschaftliche Ziele weiterentwickele wie bisher. Eine Zunahme der psychischen Erkrankungen, wachsende Unfähigkeit zu spontanem Verhalten sprächen für diese Entwicklung.
Das „transkapitalistische System“, auf das wir uns immer schneller hin bewegten, behalte aber zweckmäßige Bestandteile wie den Markt bei. Für Lay und Mahler sind Manager die obersten Gestalter dieser neuen Gesellschaft. Voraussetzung sei, daß gerade die Wirtschaftsführer Konflikte als positiv kennenlernten, nicht in Abwehrhaltung verharrten, was eine „Realitätsablösung ihres Bewußtseins vom Sein“ bedeute. Eine Verständigung über „Transformationsziele der Gesellschaft“ tue not. Lay beruft sich unter anderem auf einen eher konservativen Papst, Paul VI., der verkündet habe: „Eine auf Egoismus aufbauende Gesellschaft ist für Christen nicht tolerabel.“
Mahler relativiert pragmatisch: „Norbert Elias hat in seinen Untersuchungen des Prozesses der Zivilisation nachgewiesen, daß Wettbewerbsver-halten konstitutiv für den Menschen ist. Es bedarf des Anreizes, Gewinn zu machen, was auch die Möglichkeit der Pleite einschließt. Und es bedarf der Effizienzkontrolle. Aber kompetitives Verhalten ist noch nicht identisch mit Egoismus.“ Der Jesuit äußert sich wiederum radikaler: „Das Streben nach individuellem Nutzen - gesamt bilanziert - kann zur Katastrophe führen.“
https://www.rupert-lay.de/mahler.htm
https://de.wikipedia.org/wiki/Hohenstein_Institute
https://www.jesuiten.org/…/…/wer-wir-sind/rupert-lay-sj.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Rupert_Lay

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