Ivar Arthur Nicolai Lissner: Agent, Desinformant und Kollaborateur
Ivar Arthur Nicolai Lissner war ein deutscher Publizist und Autor.
Lissner war Deutschbalte mit jüdischen Vorfahren.
Zum 1. April 1933 wurde er Mitglied der NSDAP. Ein 1935 bei der Hanseatischen Verlagsanstalt erschienenes Buch, in dem er die in seinen Augen erzielten Errungenschaften des Nationalsozialismus vor internationalem Hintergrund präsentierte (Blick nach Draußen), führte dazu, dass er 1936 im Auftrag des Verlags als Reiseschriftsteller in die USA und nach Kanada ging. Daraus entstand sein Buch Völker und Kontinente, das damals ein Bestseller war. Lissner schrieb nun auch für den Hanseatischen-Dienst, den Pressedienst seines Verlages, und einige seiner Artikel wurden laut Heinz Höhne auch vom Angriff nachgedruckt. Er ging wieder auf Weltreise nach Asien (woraus sein Buch Menschen und Mächte am Pazifik entstand), erlebte aber einen Schock, als er bei seiner Rückkehr Januar 1937 erfuhr, dass sein Vater aufgrund einer Denunziation beschuldigt wurde, einen für den Ariernachweis notwendigen Nachweis aus den Kirchenbüchern der ev.-luth. St.-Petri-Gemeinde zu Riga mit der Hilfe des dortigen Pastors gefälscht zu haben. Die Gestapo, die ihn verhaftet hatte, verdächtigte ihn Jude zu sein, konnte aber zunächst nichts beweisen, so dass Robert Lissner wieder freikam. Lissner begann sich innerlich vom Nationalsozialismus zu distanzieren, behielt aber nach seinen Erfahrungen in Russland eine anti-sowjetische Einstellung. Dieser Darstellung Höhnes wird in einem auf der Lissner-Website erschienenen Artikel widersprochen. Demnach habe Lissner immer von seiner jüdischen Herkunft gewusst. Eine pro-nationalsozialistische Einstellung habe bei ihm zu keinem Zeitpunkt bestanden.
1938 lernte Ivar Lissner nach eigenen Angaben Vizeadmiral Canaris und den damaligen Oberstleutnant Oster kennen und wurde Agent der Abwehr. Getarnt als „Korrespondent“ sollte er nach Tokio reisen und über Japan und die Mandschurei berichten.
1938 fuhr Lissner für die Hanseatische Verlagsanstalt nach Ostasien, wo er u. a. von den japanischen Kämpfen an der koreanisch-sowjetischen Grenze berichtete. Er wurde auch für japanische Zeitungen interviewt und versorgte den deutschen Gesandten mit Informationen. Während seines Aufenthalts in der Mandschurei im Sommer 1938 fungierte Lissner beim Überlaufen des KGB-Chefs für den Fernen Osten Genrich Samoilowitsch Ljuschkow als Dolmetscher. Im Juli 1938 schrieb er einen Artikel über Ljuschkov der im „Angriff“ abgedruckt wurde.
1939 reiste Lissner als Korrespondent des Angriff und zusätzlich des Völkischen Beobachters wieder nach Japan. Er knüpfte auch Kontakte zur deutschen Botschaft in Tokio.
Mit Hilfe von deutschen Kaufleuten und Exil-Russen baute Lissner in Harbin ein Spionagenetz auf, das bis nach Sibirien reichte und ihm bei Admiral Canaris in Berlin einen hervorragenden Ruf verschaffte. Er konnte detaillierte Angaben über die sowjetischen Truppen und Kommandeure im Fernen Osten machen. Nach den Worten von Admiral Canaris, der mit Hilfe von Lissners Informationen auf den Lagebesprechungen im Führerhauptquartier glänzen konnte, vom März 1943 war er deren einzige Quelle im Bereich der asiatischen Sowjetunion und dem Bereich der Mandschurei.
Lissner versuchte in der Folge eine eigene Legende als hoher Gestapo-Offizier aufzubauen (gegenüber den Japanern in der Mandschurei bezeichnete er sich sogar als Gestapochef für den Fernen Osten.) Als das den deutschen offiziellen Stellen in Tokio hinterbracht wurde, war insbesondere der eigentliche „Gestapochef“ in Japan (Polizeiattache an der Botschaft) SS-Standartenführer Meisinger wütend. Man beobachtete Lissner und stellte fest, dass er regelmäßig das sowjetische Konsulat in Harbin besuchte. Lissner betrieb ein Doppelspiel, er lieferte diesen Informationen über die japanische Armee und erhielt dafür Spielmaterial.
Als Lissner von der Gefahr, die ihm drohte, erfuhr, setzte er sich mit allen Mitteln zur Wehr. Im Oktober 1941 war Richard Sorge in Tokio verhaftet worden, der vorher beste Beziehungen in nationalsozialistischen Kreisen in Tokio unterhalten hatte, auch zu Botschafter Ott, der versucht hatte, die Affaire Sorge als japanische Polizeiintrige herunterzuspielen, aber selbst zu den Informanten Sorges zählte. Lissner ließ diese Version in einem Funkspruch vom 23. März 1942 auffliegen, was in Berlin einen Skandal im Auswärtigen Amt verursachte und zur Abberufung Otts führte. Das führte aber auch dazu, dass man im Auswärtigen Amt Lissners Arbeit sabotierte. Die Abwehr konnte hier nur begrenzt einschreiten, Canaris wandte sich aber in einem direkten Schreiben an Himmler gegen die Behinderung ihres Agenten Lissner. Meisinger beschloss daraufhin, die weitere Verfolgung Lissners dem japanischen Geheimdienst zu überlassen, bei dem er Lissner als sowjetischen Spion anschwärzte.
Im Juni 1943 wurde Lissner verhaftet, zusammen mit seinem Journalistenkollegen und Freund Werner Crome, seinem japanischen Sekretär und seiner deutschen Sekretärin. Lissner verbrachte ein Jahr und acht Monate in einem japanischen Gefängnis, wo er schwer gefoltert wurde und einen Suizidversuch unternahm. Zunächst war er in der Hand der berüchtigten japanischen Militärpolizei Kempeitai. Später wurde er von einem japanischen Gericht vom Vorwurf der Sowjetspionage freigesprochen. Im Januar/Februar 1945 wurde Lissner aus dem Gefängnis in ein Hotel verlegt. Er war linksseitig völlig gelähmt, litt an Rückgratschmerzen und Herzbeschwerden und war auf dem rechten Auge fast erblindet. Bei Ankunft der Alliierten wurde Lissner im August 1945 schließlich freigelassen.
Ivar Lissner war nach dem Krieg ab 1949 Chefredakteur der illustrierten Zeitschrift Kristall des Springer Verlags. Dies blieb er bis Anfang 1956. Danach ging er nach München und dann nach Paris, wo er Autor bei Paris Match wurde (mit dem Titel Grand Ecrivain Historique) Bekannt wurde er aber vor allem als Autor mehrerer kulturgeschichtlicher Bücher, wie Wir sind das Abendland, Wir alle suchen das Paradies und Rätselhafte Kulturen, die in viele Sprachen übersetzt und Bestseller wurden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ivar_Lissner
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