Der Mensch, das entrechtete Wesen
Wie frei ist der Mensch wirklich? Solange er in vorgegebenen Bahnen denkt, fallen ihm die vielen Eingrenzungen vermutlich nicht einmal auf. Und dann gibt es für jede diktatorische Maßnahme ja auch noch eine beschönigende Erklärung. Es geschehe ohnehin alles zu seinem eigenen Besten. Letztendlich sei ja auch noch die „Allgemeinheit“ für den Einzelnen verantwortlich. Wer sich der Eigenverantwortung entzieht, gibt gleichzeitig natürlich auch seine individuellen Rechte auf.
„Niemand ist hoffnungsloser versklavt als der, der fälschlich glaubt frei zu sein“, schrieb Goethe schon vor zwei Jahrhunderten. Und keine Ahnung hatte er damals von dem, was der Mensch heute über sich ergehen lässt, ohne wirklich zu wissen, was mit ihm geschieht.
Die unsinnige Vorstellung, dass es heute allen Menschen besser erginge als in der Vergangenheit, ist tief in den Geistern neuzeitlicher Erdenbürger verankert. Chinesische Propagandafilme, die sich bemühen, die Besetzung Tibets zu rechtfertigen, zeigen gerne Bilder in schwarz-weiß von der ehemaligen Landbevölkerung, die von den Mönchen „geknechtet“ die Felder bearbeiteten. Dann folgen Szenen in Farbe: Tibeter vor Fließbändern in chinesischen Fabriken. Was für eine Errungenschaft.
Und noch ein Zitat eines deutschen Dichters, dieses jedoch aus dem 20. Jahrhundert, möchte ich anführen:
„Ein Mensch erhofft sich fromm und still, dass er einst das kriegt, was er will. Bis er dann doch dem Wahn erliegt und schließlich das will, was er kriegt.“ (Eugen Roth)
Und so scheint der Bewohner moderner Industriestaaten vollends glücklich zu sein, wenn ihm ein Arbeitsplatz beschert wird; wenn ihm dadurch die Mittel zur Verfügung gestellt werden, um seine Steuern und Zwangsversicherungen zu bezahlen. Bleibt ihm am Ende noch genügend Geld übrig, um ein- oder zweimal pro Jahr eine verbilligte Fernreise anzutreten, dann fühlt er sich doch gleich auch „frei und reich“ – er darf Grenzen passieren, in Hotels nächtigen und in Restaurants speisen. Was will er denn noch vom Leben? Es genügt doch, das Wollen auf das einzugrenzen, was geboten wird.
Wir leben in der Demokratie. „Das Recht geht vom Volke aus“. Alles geschieht zum Wohle dieses Volkes. Der Finanzsektor wird befriedigt, dass er es weiterhin gut mit uns meint, uns weiterhin als Humankapital einsetzt, anstatt noch mehr Produktionsanlagen in ferne Länder zu verlegen.
Doch daran erinnert man sich nicht gerne, dass wir alle Teil dieses Humankapitals sind, das beste Instrument zur Wertschöpfung. Den Herrschern der Vergangenheit kann man leicht vorwerfen, dass sie auf Kosten ihrer Untertanen in Luxus lebten. Den Luxus der heutigen Herrscher nehmen wir selten wahr und selbst auf ihre Namen stoßen wir meist nur dann, wenn wir in Quellen stöbern, die als „verschwörerisch“ bezeichnet werden. Unsere Konzernmedien machen uns ja schließlich glauben, dass es die demokratisch gewählten Politiker sind, die über unser Wohlergehen bestimmen.
https://www.pravda-tv.com/2013/01/der-mensch-das-entrechtete-wesen/
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